Zeitumstellung
In der Nacht zum Sonntag drehen wir die Uhren eine Stunde zurück.
Hierzulande drückt das wechselhafte und vielerorts regnerische Wetter bereits vielen auf die Stimmung. Nach kurzen Lichtblicken am heutigen Montag stehen über Frankreich und der Schweiz bereits neue Niederschlagspakete für die kommenden Stunden parat. Vielerorts wird der Oktober damit teils deutlich zu nass ausfallen. In Hamburg, Bremen, Hannover, Magdeburg, Leipzig und Berlin fiel teilweise mehr als das Doppelte der im langjährigen Mittel üblichen Regensumme im Oktober. Durch wiederholte Niederschlagsereignisse mit meist moderaten Intensitäten sammelte sich der Überschuss glücklicherweise relativ gleichmäßig an. Dass die Wetterlage in anderen Regionen weitaus mehr Brisanz entfalten kann, beweist in den kommenden Tagen einmal mehr die Alpensüdseite.
So transportieren die sich immer wieder neu entwickelnden Tiefdruckgebiete, die wie entlang einer Perlenschnur aufgereiht von Neufundland rasch über den Nordatlantik bis nach Mitteleuropa gesteuert werden, nicht nur zu uns permanent sehr feuchte Luftmassen. Auch die Mittelmeerregionen sind davon wiederholt und in weitaus gravierenderem Ausmaß betroffen. In mehreren Schüben kommt es dabei bereits aktuell zu kräftigen, teils gewittrig durchsetzten Regenfällen. Der erste Schwerpunkt wird sich im Zusammenhang mit Tief CORD bis Dienstagnachmittag austoben, ein weiterer ist für den Donnerstag und die Nacht zum Freitag zu erwarten.
Bis Samstag sind zusammengerechnet in der Toskana und in Ligurien, wo aktuell bereits Unwetterwarnungen des italienischen Wetterdienstes aktiv sind, sowie in der Lombardei verbreitet 200-300 Liter pro Quadratmeter zu befürchten (der Großteil davon binnen weniger als 48 Stunden). Zum Vergleich: Im überaus nassen Oktober 2023 fielen in Schleswig bisher 215 l/qm insgesamt. Besonders schlimm trifft es aber voraussichtlich die Regionen Trentino-Südtirol, Venetien und Friaul-Julisch Venetien im Nordosten Italiens einschließlich der Grenzgebiete zu Slowenien und Österreich. Modellübergreifend werden in der Spitze sogar an die 500 l/qm simuliert. Das sind Größenordnungen tropischer Wirbelstürme respektive ausgewachsener Monsunregenfälle. Erdrutsche und Überschwemmungen müssen befürchtet werden. Die Schneefallgrenze in den Alpen schwankt zwischen 1500 und 2000 Metern – höher gelegene Ortschaften drohen von der Außenwelt abgeschnitten zu werden.
Welche Faktoren sind bei der Lage nun entscheidend für die exorbitant hohen Mengen? Wie bereits erwähnt ist dabei die Zufuhr feuchter und für die Jahreszeit vergleichsweise milder Luftmassen vom Atlantik und dem westlichen Mittelmeer her ein wesentliches Element. Diese organisieren sich in den Folgetagen als sogenannte “atmospheric river” (siehe dazu auch ), also als großräumiges Förderband mit Zonen erhöhter Feuchtigkeit genau über dem beschriebenen Gebiet auf der Alpensüdseite. Der hohe Wärme- und Feuchtegehalt der Luftmasse wird zudem durch positive Temperaturabweichungen der oberflächennahen Wasserschichten vom Ligurischem Meer und der Adria gespeist. Mit 20 bis 24 °C war das Meer teils 2 bis 4 °C wärmer als üblich. Nicht zuletzt die noch hinzukommende Staukomponente gibt nun den Hauptausschlag für ein derart extremes Ereignis. Vor allem die lange Andauer der südwestlichen Strömung macht die Zufuhr der feuchten Luftmasse und den erzwungenen Aufstieg an der Gebirgskette besonders effektiv. Im Zuge des Klimawandels wird mit heißeren Sommern und damit noch für längere Zeit aufgeheizten Meeren in Herbst und Winter die Wahrscheinlichkeit für derartige Events eher nicht geringer.
Dipl.-Met Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.10.2023
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