Zu warmer Sommer wird wahrscheinlicher
Im Thema des Tages vom 19.05.2022 wurde bereits über die saisonale Klimavorhersage für den Sommer 2022 in Europa berichtet. Dabei ging es insbesondere um die Vorhersage der mittleren Abweichung der 2 m-Temperatur durch das saisonale ECMWF-Modell (aus Reading, GB). Laut dieser Vorhersage, Stand: 01.05.2022 war in weiten Teilen Europas eine positive Temperaturabweichung von 1 bis 2 Grad Celsius im Vergleich zu vieljährigen Mittelwerten simuliert worden.
Vor ein paar Tagen sind über die Copernicus-Seite der EU neue saisonale Klimavorhersagen für die Monate Juli, August und September veröffentlicht worden. Hier werden allerdings bei der saisonalen Vorhersage die Modellsimulationen von führenden Wetterdiensten wie u.a. ECMWF, Met Office, Meteo-France, DWD oder JMA in einer kombinierten Darstellung vereint. Der beiliegenden Grafik ist die aktuelle Prognose der mittleren Abweichung der 2 m-Temperatur für die Monate Juli, August und September zu entnehmen (Stand: 01.06.2022).
Auffällig ist erneut die recht verbreitete positive Abweichung der 2 m-Temperatur für weite Teile Mittel- und Südeuropas. Auf der anderen Seite fällt die positive Temperaturabweichung für Teile Skandinaviens, die Nördlichen Britischen Inseln und auch Russlands schwächer aus als im Vormonat.
Insgesamt kann nun festgehalten werden, dass der Prognosetrend vom Vormonat verstetigt wird. Auch die die aktuelle Prognose der Luftdruckverteilung über dem Nordatlantik entspricht im Wesentlichen der positiven Phase der Sommerlichen Nordatlantischen Oszillation oder kurz SNAO positiv, d.h. grob gesagt hoher Luftdruck über den Azoren und tiefer Luftdruck bei Island.
In den Sommermonaten kann die oben beschriebene Konstellation stromab, also auch über Mittel- und Westeuropa dazu führen, dass es bei einem sommerlich allgemein stärker mäandrierenden Jet-Stream vorderseitig des tiefen Luftdrucks über dem (östlichen) Nordatlantik häufiger zum Zustrom sehr warmer Luftmassen aus niederen Breiten kommen könnte.
Im Thema des Tages vom 19.05.22 wurde ebenso die Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre im Frühjahr angeführt, die gemäß aktueller Studien eine wichtige Rolle bei der erweiterten Vorhersagbarkeit vom Frühjahr bis zum Sommer spielen könnte, im Gegensatz zu der allgemeinen Erkenntnis, dass diese dynamische Kopplung außerhalb der Wintersaison relativ inaktiv ist.
Es wird auf jeden Fall interessant sein, diese saisonalen Prognosen spätestens am Ende des Sommers auf den Prüfstand zu stellen. Die Ergebnisse könnten im Zusammenhang mit laufenden Studien und neuen Erkenntnissen gute Aussichten für eine verbesserte sommerliche saisonale Vorhersage zumindest von Teilen des nordhemisphärischen Klimas bieten, die vor allem dem Energie- und Gesundheitssektor aber auch der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zugutekommt.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 15.06.2022
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